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Stellungnahme der DGINA zu Auswirkungen des "Poolärzte-Urteils" des BSG

08. April 2024

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin - DGINA e.V. zu
Auswirkungen des sogenannten
Poolärzte – Urteils“ des Bundessozialgerichts
- Sicherstellungsauftrag der ambulanten Notfallversorgung vollumfänglich umsetzen -

Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) (Aktenzeichen B 12 R 9/21 R) zur Sozialversicherungspflicht der Beschäftigung eines Zahnarztes im Notdienst der kassenzahnärztlichen Vereinigung vom 24. Oktober 2023, haben viele Kassenärztliche Vereinigungen (KV) in Deutschland ihre notdienstlichen Leistungen stark eingeschränkt1

Insbesondere in den KV-Notdienstpraxen ist die ärztliche Versorgung seitdem in vielen Regionen teilweise empfindlich, in Teilen sogar vollständig reduziert worden2,3,4,5,6,7.
Der Notdienst, im Besonderen die Notdienstpraxen der KV, waren bisher elementarer Bestandteil der ambulanten Notfallversorgung und Schlüsselelement in der Umsetzung des gesetzlich festgelegten Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen für die ambulante Notfallversorgung. Dort, wo der KV-Notdienst vollumfänglich und vernetzt sichergestellt wird, wurden Rettungsdienst und Notaufnahmen spürbar entlastet.

Hintergrund

Seit mehreren Jahren werden durch die KV vielerorts nicht mehr nur niedergelassene Vertragsärztinnen und -ärzte in Notdienstpraxen eingesetzt, sondern sogenannte „Poolärztinnen und -ärzte“. Dabei handelt es sich um Ärztinnen und Ärzte, die entweder hauptberuflich oder neben ihrer eigentlichen Beschäftigung, beispielsweise in einem Krankenhaus, diese Notdienstaufgaben übernehmen. 

Obwohl das BSG in seiner Urteilsbegründung explizit formuliert hat, dass das Urteil keine Allgemeingültigkeit in Bezug auf eine mögliche Sozialversicherungspflicht darstelle, sondern sich lediglich auf einen konkreten vorliegenden Fall bezogen habe, wurden und werden in einigen KVen keine Poolärztinnen und -ärzte mehr beschäftigt. Dies wiederum führt in diesen Bereichen zu einer deutlichen Einschränkung der ambulanten Notfallversorgung.

Aktuell starke Einschränkung der ambulanten Notfallversorgung 

Zunehmend erreichen die DGINA aus ganz Deutschland Hinweise aus Notfallkliniken, die eine deutliche Steigerung der Inanspruchnahme durch ambulante Notfallpatientinnen und -patienten verzeichnen. Auch eine monatelange Wartezeit von Kassenpatientinnen und -patienten auf ambulante Termine ist inzwischen zum Alltag geworden9. Des Weiteren findet eine verbindliche Umsetzung der zeitlichen Fristen zur Terminvermittlung im Kontext des Terminservicegesetzes aktuell nur unzureichend statt und seitens der KV wurden die ärztlichen Fahrdienste reduziert sowie Fahrdienstregionen aus Besetzungsgründen zusammengelegt. Vor dem Hintergrund, dass Notfallkliniken schon seit Jahren die ambulante Notfallversorgung in den späten Abend- und Nachtzeiten übernehmen, wenn KV-Notdienstpraxen geschlossen sind, scheinen die aktuellen Entwicklungen umso besorgniserregender.

Aus Sicht der klinischen Notfallversorgung ist es zwar nachvollziehbar, dass das Urteil des BSG umfassende organisatorische, respektive administrative Anpassungen in der ambulanten Notfallversorgung nach sich zieht. Dies darf jedoch nicht zu einer Einschränkung der Sicherstellungsverantwortung der KV führen, da andernfalls dieser Konflikt auf dem Rücken von hilfesuchenden Patientinnen und Patienten und den Notfallkliniken ausgetragen wird.

Anstellungsverhältnis und Sozialversicherungspflicht

Als wesentlicher Grund für die Einschränkungen der ambulanten Notfallversorgung wird an verschiedenen Stellen der Grund angeführt, dass die bisher für die KV in der Akut- und Notfallversorgung tätigen Kolleginnen und Kollegen grundsätzlich nicht bereit seien, einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen. Allerdings arbeiten viele Kolleginnen und Kollegen nach Kenntnis der DGINA gerne haupt- und nebenberuflich in den KV-Notdienstpraxen oder im Ärztlichen Bereitschaftsdienst und würden diese Tätigkeit nicht allein aufgrund einer Sozialversicherungspflicht aufgeben. 

Die Notfallmedizin entwickelt sich ständig weiter und verlangt von den darin tätigen Ärztinnen und Ärzten ein hohes Maß an Qualifikation und Professionalität. Mit Blick auf die anstehende Reform der Notfallversorgung auf Bundesebene ist ein Fokus auf Ärztinnen und Ärzte sowie Notfallpflegende essenziell, die in den Notfallkliniken die ambulante Notfallversorgung nach Schließung von KV-Notdienstpraxen sicherstellen, um der staatlichen Daseinsfürsorge nachzukommen.

Fazit:
Als Reaktion auf das Urteil des Bundessozialgerichts schränken KVen aktuell offensichtlich in bestimmten Regionen den KV-Notdienst ein und ziehen sich somit teilweise aus dem ambulanten Versorgungsauftrag zurück. Die Konsequenz hieraus ist eine zunehmende Fehlsteuerung von hilfesuchenden Patientinnen und Patienten in die Notfallkliniken. Dies trägt zu einer weiteren Belastung der Notfallkliniken bei.

Forderung:

  • Der ambulante Versorgungsauftrag muss vollumfänglich durch die KVen sichergestellt werden. Dieser umfasst Notdienstpraxen, Terminservicestellen und den aufsuchenden ärztlichen Bereitschaftsdienst.
  • Die Umsetzung des gesetzlich verankerten ambulanten Versorgungsauftrags der KV gemäß § 75 SGB V benötigt dringend eine Konkretisierung. Es gibt derzeit keine quantifizierbaren Parameter anhand derer eine erfolgreiche Umsetzung des ambulanten Versorgungsauftrags ableitbar ist.
  • Der gesetzliche Auftrag zur zeitnahen Vermittlung von ambulanten Terminen beim Haus- oder Facharzt, wie im Terminservicegesetz formuliert, bedarf ebenfalls einer unabhängigen Qualitätskontrolle. 
  • Die Ausstattung und die Qualifikation der in den Notdienstpraxen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss einem notfallmedizinisch angemessenen einheitlichen Qualitätsstandard folgen und gesetzlich festgeschrieben werden.
  • Kooperierende Notfallkliniken sollten für die Übernahme des ambulanten Versorgungsauftrags zu Abend- und Nachtzeiten und die daraus resultierenden Mehrbelastungen angemessen honoriert werden.

Hier die Stellungnahme der DGINA (Inkl. Quellenangaben) zum Download

 

Information

  • Veröffentlicht: 08. April 2024

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