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DGINA kommentiert Empfehlungen der Regierungskommission zu Rettungsdienst und Finanzierung

15. September 2023

"Notfallmedizin der Zukunft wird greifbar"

Die Empfehlungen der Regierungskommission sind aus Sicht der DGINA in ihren Zielsetzungen weitgehend und zukunftsfähig. Sie sind geeignet, die drängenden Probleme im Rettungsdienst zu lösen, wenn sie Teil einer Gesamtreform des Gesundheitswesens darstellen. 

Zur Erarbeitung wissenschaftlicher Vorschläge für das Gesundheitswesen, mit Fokus auf den Krankenhausbereich, hat die Bundesregierung im Mai 2022 die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung eingesetzt. Nachdem sich die Vierte Stellungnahme der Kommission mit den Themen „Integrierte Notfallzentren und Integrierte Leitstellen“ auseinandergesetzt hat, folgte jetzt die Neunte Stellungnahme zum Thema „Rettungsdienst“. Die DGINA als Fachgesellschaft steht dabei für eine patientenzentrierte, evidenzbasierte und sektorenunabhängige Notfallmedizin, in der insbesondere auch in Bezug auf die präklinische Notfallmedizin Qualität gesichert und verbessert, Innovation gefördert und die Vernetzung aller Akteure und Akteurinnen innerhalb des Netzwerkes der Akut- und Notfallmedizin optimiert werden müssen. In diesem Zusammenhang möchte die DGINA nachfolgende Einschätzungen zu den Empfehlungen der Regierungskommission aufführen: 

Empfehlung 1 & 2– Neufassung des Leistungssegments im SGB V

Die Empfehlungen zur Änderung der Situation der Leitstellen sind aus notfallmedizinischer Sicht sinnvoll, auch und insbesondere die an späterer Stelle erwähnte Steigerung der medizinischen Qualifikation des Personals. Die DGINA befürwortet in diesem Zusammenhang den Einsatz wissenschaftlich evaluierter und prospektiv validierter Tools in der Notrufabfrage. Neben der Besetzung der Leitstelle mit einem 24/7 verfügbaren “Tele-Notarzt/Notärztin” zur Unterstützung von Rettungsmitteln muss auch die – von der Regierungskommission bereits geforderte - unmittelbare telemedizinische Beratung von Anrufenden zur fallabschließenden Behandlung am Telefon/Video-Call ermöglicht werden.

Die Notfallversorgung ist eine Leistung des Rettungsdienstes, die durch die Aufnahme in das SGB V zukünftig in der Planung der Ressourcen, in der Ausstattung der Rettungsmittel und der Finanzierung unabhängig vom Notfalltransport ist. Dies ist die erforderliche Grundlage, um zukünftig fallabschließend ambulant behandeln zu können. Dadurch können Transporte in eine Zentrale Notaufnahme vermieden werden. Damit diese Trennung Auswirkung auf die Vorhaltung des Rettungsdienstes und damit die Kosten des Systems hat, müssen hier zwingend neue Einsatzstrategien wie bspw. die Etablierung der „spezielle ambulante Notfallversorgung“ (SANV) oder des Telenotarztdienstes erfolgen. 

Die explizite Erwähnung, dass Notfalltransporte nicht nur in Zentrale Notaufnahmen, sondern auch in Arztpraxen oder KV-Notdienstpraxen erfolgen können, stellt in Einzelfällen eine gute Option dar. Nach Auswertung der Zahlen einzelner Rettungsdienstbereiche und einzelner ZNAs wird deutlich, dass dieses Instrument in der öffentlichen Diskussion überschätzt ist: In der Realität der Projekte, in denen dieses Vorgehen bereits heute geübt wird, können derzeit nur wenige Patientinnen und Patienten des jeweiligen Rettungsdienstbereiches im KV-Bereich versorgt werden. Die Stellungnahme stellt als eines der Ziele heraus, den KV-Notdienst und den klassischen Rettungsdienst im engeren Sinne durch erweiterte Strukturen als SANV zu unterstützen. Aus Sicht der DGINA wird dies einem patientenzentrierten und effizienten Ansatz zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung gerecht. Voraussetzung für das Gelingen ist jedoch, dass die vorgeschlagenen Strukturen Gemeinde-Notfallsanitäter:innen, psychosoziale Krisenintervention, notfallmäßige Palliativversorgung und Dienste zur kurzfristigen Übernahme ambulanter Pflege dem Rettungsdienst organisatorisch zugeordnet sind, von der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst geführt, der Gemeinsamen Leitstelle alarmiert und den für den Rettungsdienst zuständigen Behörden geplant und in der Fach- und Dienstaufsicht überwacht werden. Ein freiwilliges Mitwirken, eine selbständige Ausübung der Tätigkeit oder eine fehlende 24/7 Verfügbarkeit führen unmittelbar und vorhersehbar zu einer ungeplanten und unangemessenen Inanspruchnahme des Rettungsdienstes. 

Aus Sicht der DGINA muss weiterhin vor Umsetzung komplementärer Strukturen die fachliche Qualifikation in den zu schaffenden Bereichen geklärt werden. 

Empfehlung 3 – Maßnahmen zur Qualitätssicherung

Die DGINA als wissenschaftliche Fachgesellschaft, die den Rettungsdienst als Teil der Notfallmedizin vertritt, begrüßt explizit die Bemühungen um eine bessere Integration des Rettungsdienstes in die Strukturen des Gesundheitssystems. Einzelne Rettungsdienste weisen seit über 25 Jahren ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem für die Struktur- und Prozessqualität im Rettungsdienst vor, dies muss flächendeckend verbindlich sein. Die Erfassung und systematische Auswertung medizinischer Daten im Sinne eines Medizinischen Qualitätsmanagements muss ebenso selbstverständlich werden, wie ein Medizinisches Risikomanagement im Rettungsdienst. Die Empfehlungen der Regierungskommission sind aus unserer Sicht eine wichtige Basis, die Leistungen einzelner „best-practice“-Beispiele zum bundesweiten Standard zu machen.
Aufgrund der besonderen Strukturen des Rettungsdienstes und der unzureichenden Digitalisierung ist bislang eine sinnvolle, systematische Auswertung medizinischer Daten kaum möglich. Hinzu kommt, dass derzeit nur eine geringe Zahl aktiver notfallmedizinischer Forschungsgruppen in Deutschland besteht. Hier sieht die DGINA ein großes Potential für eine sinnvolle Entwicklung, die es mittelfristig ermöglicht, den Anschluss an die internationale Forschung zu erreichen, wie auch die Notfallmedizin der Praxis zu verbessern.

Empfehlung 4 – Vereinheitlichung von Standards und Prozessen

Die konkrete Ausgestaltung der notfallmedizinischen Versorgungsstrukturen soll zukünftig regional geplant werden (siehe Empfehlung 6), muss jedoch bundeseinheitlich dem Stand der medizinischen Wissenschaft und dem Wirtschaftlichkeitsgebot folgen. Die DGINA sieht hier keinesfalls einen Widerspruch in den Zielen, sondern eine Betonung der Bedeutung einer wissenschaftlichen Grundlage der Arbeit der Notfallmedizin und eine Forderung nach der überfälligen bundeseinheitlichen Abstimmung der Ressourcenplanung der Notfall- und Akutversorgung.

Empfehlung 5 – Patientensteuerung und Prozessoptimierung

Die Grundlage einer effizienten Notfallbehandlung ist ein umfassender Informationsfluss innerhalb des Gesundheitssystems. Dabei müssen sowohl dem Team des Rettungsdienstes oder der Zentralen Notaufnahme möglichst alle Informationen aus der Vorgeschichte des Patienten vorliegen wie auch die nun in der Akutsituation getroffenen Maßnahmen und der weitere Plan den weiterbehandelnden Institutionen der Regelversorgung unmittelbar zur Verfügung stehen. Die DGINA schließt sich der Forderung nach einer umfassenden digitalen Vernetzung, nach einer Nutzung medizinischer und organisatorischer Daten zu Zwecken der Qualitätssicherung, Forschung und Anpassung des Systems, einer Zusammenführung der Daten für eine prospektive Bedarfsermittlung in Echtzeit sowie einer perspektivischen Nutzung von KI als Entscheidungshilfe etc. an. Die Einrichtung eines Notfallversorgungsregisters, welches die Versorgung im Rettungsdienst, dem KV-Notdienst und der ambulanten und stationären Versorgung in den Notaufnahmen der Krankenhäuser abbildet, ist zur Systemsteuerung dringend erforderlich. Die Definition eines sektorenübergreifenden Notfalldatensatzes analog §21 KHEntgG ist hierfür außerordentlich hilfreich. 

Empfehlung 6 – einheitliche Bedarfsplanung

Die DGINA mahnt bei der Einbeziehung regionaler Gremien unter Leitung der Länder zu einer einheitlichen Bedarfsplanung die Beteiligung von Notfallmediziner:innen an, die ihre Expertise an dieser Stelle einbringen müssen. Des Weiteren sollte in diesem Gremium auch eine Berücksichtigung der medizinischen Qualitätssicherung erfolgen, sowie eine Überwachung der für den Rettungsdienst notwendigen Strukturen etabliert werden. 

Empfehlung 7 – Zentralisierung der Leitstellen

Die Empfehlungen zur Änderung der Situation der Leitstellen sind aus notfallmedizinischer Sicht sinnvoll, sowohl, was den größeren Leistungsauftrag, als auch was die bessere Qualifikation der Mitarbeitenden der Leitstellen angeht. Auch die Empfehlung zu einer Besetzung mit einem Tele-Notarzt/Notärztin erscheint schlüssig, wobei die DGINA explizit noch einmal auf die Empfehlungen der 4. Stellungnahme der Regierungskommission zu diesem Themenfeld verweist und - abweichend vom derzeitigen Vorgehen - einen Einsatz  Telemedizinischer Strukturen nicht nur zur Beratung von Rettungsmitteln und Optimierung der Disposition, sondern auch in der unmittelbaren telemedizinischen Beratung von Patientinnen und Patienten fordert, um Rettungsdiensteinsätze ganz und gar zu verhindern. Dabei sind die unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen an das jeweilige Einsatzspektrum besonders zu berücksichtigen. 

Empfehlung 8 – landkreisübergreifende Planung

Landkreis- oder bundeslandübergreifende Einsätze sind im Alltag des Rettungsdienstes inzwischen die Regel, in vielen Bundesländern sind sie sogar gefordert, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu entsprechen. In der Planung ist diese Abstimmung bisher nicht bundeseinheitlich vorgegeben und umgesetzt. Die DGINA weist hier darauf hin, dass neben Schnittstellen der Leitstellen auch die Dokumentationssysteme im Rettungsdienst und die Tele-Notarztsysteme über Schnittstellen verfügen müssen, die eine landkreisübergreifende Nutzung ermöglichen. Dies ist bislang selbst innerhalb eines Bundeslandes nicht der Fall.

Empfehlung 9 – Qualifikation des Personals

Die DGINA begrüßt die Empfehlung der Regierungskommission, den Einsatz von Notärztinnen und Notärzten nurmehr für besonders kritische und komplexe Fälle vorzusehen und dafür die Anforderungen an die Qualifikation deutlich anzuheben. Für die bisherige Praxis zum niederschwelligen Einsatz von zum Teil sehr unerfahrenen Notärzt:innen mit nur geringer Qualifikation, die oft auch nur in Teilgebieten der Notfallmedizin besteht, konnte kein valider Patientennutzen gezeigt werden. Der Notarzt sollte zukünftig zwar deutlich seltener, dafür aber zuverlässig in hochkritischen und komplexen Situationen zum Einsatz kommen. Daher ist es in besonderem Maße wichtig, dass er neben einem notfallmedizinischen Facharztstandard die speziellen Bedingungen der präklinischen Akut- und Notfallmedizin kennt, sowie eine ausreichende Routine im Umgang mit diesen Patientinnen und Patienten aufweist. Aus Sicht der DGINA wird deutlich, dass zukünftig dafür eine eigenständige Qualifikation als Facharzt/Fachärztin für Notfallmedizin am ehesten den aus der Aufgabe resultierenden Anforderungen entsprechen kann.

Die DGINA begrüßt explizit die Professionalisierung und höhere Qualifizierung einschließlich einer Akademisierung des Rettungsfachpersonals bis hin einem „Master-Niveau“, das zukünftig einen Teil der heutigen Notarzteinsätze bewältigt. Allerdings ersetzt eine Akademisierung nicht die längst überfällige Umsetzung des Notfallsanitätergesetzes, das auch heute bereits eine eigenverantwortliche notfallmedizinische Versorgung wie auch weitergehende Maßnahmen in Delegation ohne Notarzteinbindung am Notfallort ermöglicht, vollumfänglich jedoch bis heute nicht flächendeckend umgesetzt wird.

In der akademischen Ausbildung schlagen wir vor, neben Lehrbeauftragten der Profession ebenfalls ärztliche Notfallmediziner:innen einzubinden, die die Perspektive der Patientenversorgung über das Arbeitsfeld der präklinischen Versorgung hinaus aufzeigen und vermitteln. Im Rahmen der weiteren Professionalisierung und Akademisierung des Rettungsfachpersonals ist die Erweiterung der bisher 3-monatigen Ausbildung der Rettungssanitäter:innen zu einer mind. einjährigen Ausbildung als Grundqualifikation für Fahrer:in auf Rettungswagen bzw. Teamführer:in im qualifizierten Krankentransport nur konsequent. Damit könnte dann auch zur raschen Entlastung und Ressourcenoptimierung der aktuell verfügbaren Rettungsmittel zusätzlich ein “Basic Life Support Segment” (z.B. Notfall-KTW) etabliert werden, welches alleinig durch einjährig qualifizierte Rettungssanitäter:innen, aber auch verbleibende Rettungsassistent:innen besetzt werden könnte. Die dafür notwendige Ausbildungs- und Prüfungsordnung sollte bundeseinheitlich verbindlich geregelt werden. Eine 3-monatige Ausbildung in ihrer bisherigen Form könnte dann künftig die Mindestqualifikation für Fahrer:innen im Krankentransport, sowie für den Einsatz im Katastrophenschutz und im Sanitätsdienst bilden. Auch diese Qualifikation bedarf dann einer bundeseinheitlichen verbindlichen Ausbildungs- und Prüfungsordnung. 

Richtigerweise fordert die Regierungskommission die flächendeckende Einführung der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst. Damit diese entscheidende Stelle die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen kann, müssen deren Stellenanteile nach einheitlichen Maßstäben proportional zur Größe des Rettungsdienstbereichs in hauptamtlicher Funktion bemessen sein. Zum anderen müssen deren Qualifikationsprofil, Befugnisse, Kompetenzen und Weiterbildungsmöglichkeiten entsprechend den zukünftigen Erwartungen an eine moderne präklinische Notfallmedizin und den dazu notwendigen Strukturprozessen angepasst werden. Das schließt den Wechsel von einer “Beratung des Rettungsdienstträgers in medizinischen Fragen” hin zu Funktion mit direkter Weisungsbefugnis für medizinische und organisatorische Fragen im Bereich des Rettungsdienstes und dem zukünftigen Netz der Notfallversorgung ein. Darüber hinaus kann die Leitung eines Rettungsdienstbereiches aufgrund des zukünftig noch stärker multiprofessionellen Ansatzes allein ärztlich nicht erfolgreich sein, sondern bedarf eines Teams aus erfahrenem und weiterqualifiziertem Rettungsfachpersonal, ebenso wie anderen relevanter Professionen, dessen Grundstruktur und Aufbau ebenso wie die ÄLRD bundeseinheitlichen Mindeststandards und Vorgaben entsprechen sollte. Dabei ist jedoch durch bundeseinheitliche Vorgaben zu notfallmedizinischen Standards sicherzustellen, dass einheitliche Qualitätsanforderungen nicht lokal durch ÄLRD nach Belieben und ohne Evidenz modifiziert werden. 

Empfehlung 10 – Ausbau Luftrettung

Im Rahmen der sich ändernden Krankenhauslandschaft mit spezialisierten Kliniken wird in Zukunft eine entscheidende Rolle umso mehr der Luftrettung zuteil. Es ist Aufgabe des Systems sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten, wenn es darauf ankommt, zu jeder Tages- und Nachtzeit, nach professioneller Versorgung vor Ort in das jeweils für sie richtige Krankenhaus transportiert werden. Außerdem muss die zeitige Verlegung von Patient:innen zwischen Krankenhäusern verschiedener Level gegeben sein. Hierzu bedarf es einer bundesweiten Befähigung der Rettungshubschrauber zu Nachtflug und Instrumentenflug, um möglichst tageszeit- und wetterunabhängig agieren zu können. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise ein Ausbau von Point-in-Space Verfahren sinnvoll, um sichere Anflugverfahren von und zu Kliniken sicherzustellen. 

Darüber hinaus kommt der Luftrettung ebenfalls die Aufgabe zu, vor dem Hintergrund des wesentlich reduzierteren, aber dafür spezialisierten Netzwerks aus präklinischen Notfallmediziner:innen, hochqualifiziertes Personal für hoch-kritische Einsatzlagen schnellstmöglich an die Einsatzstelle zu verbringen. 

Der Erhalt eines flächendeckenden Netzes bodengebundener Notärzt:innen in Ergänzung zur Luftrettung ist aus Sicht der DGINA zwingend: Sowohl Wetterlagen (Gewitter, Sturm, Vereisungsgefahr, …), als auch einsatztaktische Aspekte (dichtbesiedeltes Gebiet, Wald, große Industrieanlagen, Bedrohungslagen, …) können die Verfügbarkeit der Luftrettung trotz Instrumentenflugverfahren verhindern. Mit Veränderung der Notarztindikationen wird die Zahl der Notarztstandorte sinken können und gleichzeitig werden die fachlichen Anforderungen steigen. Daher sollten für den künftigen boden- und luftgebundenen Notarztdienst identische Anforderungen zur Qualifikation der Notärzt:innen, wie auch des Rettungsfachpersonals gelten.

Empfehlung 11 & 12 – Allgemeine Gesundheitskompetenz / Einbeziehung der Bevölkerung

Die DGINA unterstützt ausdrücklich die Forderungen nach Förderung der Gesundheitskompetenz in der Gesellschaft. Neben den Gedanken der Prävention ist auch die persönliche Planung für unvorhergesehene, die Gesundheit betreffende Ereignisse ein wichtiger Punkt - von der Vorsorge für Katastrophenfälle bis hier zum persönlichen Advance Care Planning. 

Neben der grundsätzlichen schulischen Gesundheitserziehung ist dabei die vorgeschlagene, regelmäßige und bereits frühzeitige Vermittlung von lebensrettenden Sofortmaßnahmen unabdingbar, deren flächendeckende und nachhaltige Umsetzung bisher keines der Bundesländer trotz diverser Gesetzesinitiativen auf Bund- und Länderebene etablieren konnte. Dies scheitert bisher neben konzeptionellen Schwächen meist an der dafür notwendigen verlässlichen Finanzierung. 

Eine bundesweite, möglichst bundeseinheitliche Ersthelfer-Alarmierung per App ist vielfach nachgewiesen eine Möglichkeit zur Verbesserung des Outcomes des Plötzlichen Herztodes. Neben dem medizinischen Aspekt sieht die DGINA auch die große Zahl ehrenamtlich engagierter Freiwilliger, die als alarmierbare Ersthelfer:innen, wie auch in Sanitätsdienst und Katastrophenschutz, eine wichtige Arbeit für die Gesellschaft leisten. Sie bilden innerhalb der Hilfsorganisationen eine unverzichtbare Stütze der Gesellschaft und mit der Neuregelung der Qualifikation im Rettungsdienst sollte hier eine Anpassung und Regelung der Ausbildung erfolgen, die etwa eine Anerkennung auf die künftig einjährige Grundqualifikation für die Notfallrettung ermöglicht. 

Empfehlung 13/14 – Individuelle Notfallvorsorge und Case-Management

Nach der Empfehlung der Regierungskommission wird es Aufgabe des Rettungsdienstes, vulnerable Gruppen und “frequent user” zu identifizieren, aktiv anzusprechen und nach Lösungen der gesundheitlichen und psychosozialen Probleme zu suchen. Dieser Ansatz wird bspw. bei der Berliner Feuerwehr mittels “Vorbeugendem Rettungsdienst” oder in Kopenhagen durch die “Socialance” bereits verfolgt. In Großbritannien werden diese Konzepte des “Case Managements” an Notaufnahmen getestet. Aus den veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass diese Instrumente sehr effektiv den Betroffenen helfen und die Nutzung notfallmedizinischer Strukturen reduzieren können. Die Umsetzung muss bei erfahrenen Notfallmediziner:innen, Sozialarbeiter:innen, Notfallsanitäter:innen und Pflegenden in einem multiprofessionellen und interdisziplinären Ansatz liegen und von der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst koordiniert werden. Die dazu erforderlichen Ressourcen dieses neuen Bereiches des Rettungsdienstes müssen ausreichend finanziert sein und flächendeckend zur Verfügung stehen.

Empfehlung 15 - Finanzierung

Die DGINA ist als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft an einer Versorgung der Notfallpatient:innen nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft interessiert. Wir erkennen an, dass die Finanzierung des Rettungsdienstes ein kritisches Moment der geplanten Reform ist und dass die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre für die Zukunft begrenzt werden müssen. 

Wir warnen jedoch dringend davor, ausgerechnet den aktuell in einer Krise befindlichen Rettungsdienst am Beginn einer umfassenden Umstrukturierung in seinen finanziellen Möglichkeiten maßgeblich zu begrenzen! Ebenso geben wir zu bedenken, zu welch kritischer Situation an unseren Krankenhäusern u.a. die Aufteilung der Kosten in Investitions- und Betriebskosten mit unterschiedlichen Kostenträgern bei schwieriger Haushaltslage führte. 

Eine allfällige Querfinanzierung des Brandschutzes aus Mitteln der GKV ist ebenso entschieden abzulehnen, wie die in den Empfehlungen aufgeführte Forderung, dass „den Krankenkassen ein Entscheidungsrecht über Ausstattung und Leistungen des Rettungsdienstes“ zu gewähren ist. Die Notfallmedizin ist das Sicherungsnetz der Gesellschaft. Ein transparenter Nachweis von Kosten und Leistung muss ebenso selbstverständlich sein wie eine ausreichende Finanzierung aller benötigter Ressourcen. 

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  • Veröffentlicht: 15. September 2023

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