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Berlin. G-BA-Richtlinie zur Ersteinschätzung wird Notaufnahmen nicht entlasten, sondern eher Patient*innen gefährden

02. August 2023

PRESSEMITTEILUNG

DGINA: „G-BA-Richtlinie zur Ersteinschätzung wird Notaufnahmen nicht entlasten, sondern eher Patient*innen gefährden“

Mittwoch, 2. August 2023

Berlin. Am 6. Juli hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein standardisiertes Verfahren zur Einschätzung der Behandlungsdringlichkeit von „Hilfesuchenden“ in Notaufnahmen definiert. Hierdurch sollen Patienten ohne Behandlung aus den Notaufnahmen heraus in den niedergelassenen Bereich gesteuert werden. Die Vorgaben sollen ab Juni 2024 gelten. Die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) beurteilt die Richtlinie überwiegend kritisch: „Der vorliegende Beschluss konzentriert sich auf die Abweisung der Patient*innen und nicht auf deren Versorgung“, sagt DGINA-Präsident Martin Pin.

Die Richtlinie gefährde mit der Einführung eines Ersteinschätzungsverfahrens ohne wissenschaftliche Validierung die Patientensicherheit. Dies solle durch hohe und auf absehbare Zeit nicht umsetzbare Personalanforderungen an Pflegekräfte und den ärztlichen Dienst kompensiert werden, so Pin. In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme kommentiert die Fachgesellschaft jeden einzelnen Punkt der Richtlinie und formuliert Verbesserungsvorschläge. 

Wegschicken statt versorgen? Besonders kritisch sieht die DGINA die allgemeine Stoßrichtung der Richtlinie: „Es geht offenbar darum, möglichst viele Menschen, die sich selbst ins Krankenhaus einweisen, von dort wieder wegzuschicken, ohn dass sie angemessen ärztlich begutachtet wurden“, sagt Martin Pin. Hierdurch drohe eine Patientengefährdung, da derzeit kein System existiert, dass dies wissenschaftlich nachgewiesen auch leisten kann.

Zudem würden die Kliniken durch ein Weiterschicken nicht entlastet. „Wir rechnen im Gegenteil eher mit einer höheren Belastung durch einen zusätzlichen Aufklärungs-, Dokumentations- und Organisationsaufwand“, erklärt Prof. Christoph Dodt, Chefarzt am Notfallzentrum der München Klinik Bogenhausen. Durch die Richtlinie werde die Behandlung von als weniger dringlich Eingestuften unnötig verkompliziert, bürokratisiert und verteuert.

Nach Ansicht der DGINA sollte die Behandlungsdringlichkeit von Menschen, die ohne Einweisung medizinische Hilfe suchen, nicht erst im Krankenhaus ermittelt werden. Die Fachgesellschaft fordert schon länger eine frühzeitige zielgerichtete Steuerung über eine Integrierte Leitstelle, die telemedizinische Konsultationen anbietet und konkrete Termine bei Niedergelassenen vermitteln kann. „Wer ambulant in die Klinik kommt, sollte dort auch abschließend behandelt werden, notfalls durch die Unterstützung von Kassenärztinnen und -ärzten“, sagt Martin Pin.

„Unrealistische Anforderungen“ In ihrer Stellungnahme zweifelt die DGINA zudem an der Umsetzbarkeit der Richtlinie. Die Qualitätsanforderungen an das pflegerische Ersteinschätzungspersonal und die Vorhaltung im ärztlichen Dienst seien – obwohl grundsätzlich zu begrü.en – zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht realistisch, die Übergangsfristen für die Weiterbildung des benötigten Personals zu kurz, heißt es in dem DGINA-Papier. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass es hier nicht um bessere Versorgung von Notfällen und um eine sinnhafte Steuerung geht, sondern um Standortkonzentration in der Notfallversorgung“, sagt Martin Pin. Die unrealistischen Vorgaben könnten nur in der Theorie die Patientengefährdung kompensieren, die durch die Richtlinie droht.

Forderung: Qualifizierungsoffensive und Aufhebung der Richtlinie Die Fachgesellschaft fordert stattdessen eine Aufhebung der Richtlinie in diesem Jahr durch eine Neuordnung der Notfallversorgung, wie sie von der Regierungskommission vorgeschlagen wurde. Zudem ist eine Qualifizierungsoffensive für die Notfallpflege und den ärztlichen Dienst in den Kliniken für Notfallmedizin erforderlich, die vom Staat gefördert und finanziell unterstützt wird.

Die komplette dezidierte Stellungnahme finden Sie unter www.dgina.de

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  • Veröffentlicht: 02. August 2023

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